Hintergrund

Drei Fragen an…

Chorleiter Martin Lehmann: wie Corona das Arbeiten in Windsbach beeinträchtigt, wie man diese schwierige Situation meistern und was man aus dieser Herausforderung mitnehmen kann.

Wie konnten Sie die musikalische Arbeit in Windsbach nach den Sommerferien wieder aufnehmen und wo steht der Chor nun?

Schon in der letzten Sommerferienwoche starteten wir die Mission „Aufholen“ und probten mit Knaben- und Männerchor separat drei Tage. Nicht zufällig mussten wir feststellen, dass das Lerntempo und die sängerischen Basics bei Knabenchor und Männerchor aktuell sehr stark divergieren: Bei den Älteren hatten wir recht schnell wieder das Gefühl, das bekommen wir gut und in absehbarer Zeit wieder hin. Aktuell und bis auf Weiteres proben wir in drei verschiedenen Gesamtchören mit zwei Metern Abstand von Sänger zu Sänger. Alexander Rebetge, Samuel Bammessel und ich rotieren von Probe zu Probe zu einer anderen Chorgruppe im Chorsaal, Stadthalle oder Betsaal. Dabei bleiben die Chöre in ihrer jeweiligen Zusammensetzung aus Leistungsträgern und Jüngeren stabil. Konzertformationen, die sich mit mindestens 17 und maximal 30 Sängern von Auftritt zu Auftritt unterscheiden, proben unmittelbar vor Auftritten etwa zwei bis drei Proben gemeinsam und finden so eine Handschrift. Die Chorleiter müssen dabei sehr genau kommunizieren, was und wie etwas geprobt wurde, damit dieses Modell funktionieren kann. Der Chor hat insgesamt an Klangqualität dazugewinnen können und in der letzten Woche vor den Herbstferien, also nach acht Wochen Probenzeit, hatte ich den Eindruck, dass auch die Jüngeren wieder eine Basis gefunden haben und dass das Arbeitstempo zwischen Jung und Alt wieder besser zusammenpasst. Je nach Konzertformation hatten wir einzelne Auftritte mit echten Gänsehautmomenten, in denen wir alle gespürt haben: Ja, den Windsbacher Klang gibt es noch. Das freut mich sehr und ich bin glücklich, dass wir das Zeitfenster bis zu den Herbstferien so gut nutzen konnten. Insbesondere die Motetten am 2. Oktober, das Streamingkonzert und das Konzert im Konzerthaus Blaibach waren Momente zum Auftanken und haben Kraft gegeben für den nächsten Abschnitt.

Corona hat das Leben im Chorzentrum auf den Kopf gestellt. Was sind aktuell die spürbaren Auswirkungen der Pandemie und wie versuchen Sie, hier gegenzusteuern?

Seit Mitte März gibt es den „einen“ Windsbacher Knabenchor und somit auch diesen „einen“ Chorklang nicht, denn es proben und musizieren ja jeweils nur Teilchöre miteinander, dann mit beschriebenem Abstand der Sänger untereinander. Das sind gravierende Veränderungen. Trotzdem bin ich total dankbar, dass der Chor zusammenhält, die Neueinsteigeranzahl gemessen an den Herausforderungen im Corona-Jahr wirklich erfreulich ist und ein, wenn auch verändertes, Arbeiten möglich ist. Jeder Tag mit Proben oder sogar Auftritten ist ein gewonnener Tag in diesem Tunnel und er bringt uns einen Tag näher an das Ende der Pandemie. Erstaunlicherweise haben wir mittlerweile sogar Hör-Spaß an den Abständen entdeckt und es ist unglaublich zu erleben, wie die Sänger beispielsweise einen 15 bis 20 Meter umfassenden Abstand von der ersten Reihe Sopran bis zur letzten Reihe Bass mental überbrücken. Das hätte ich damals als Knabenchorsänger im Alter von zehn Jahren nie hinbekommen! Es bedeutet ja ein verändertes Vorbereitungs- und Musiziergefühl, was natürlich eine hervorragende Schule für solistisches Singen ist. Wir alle freuen uns auf den Moment, wo wir das neu gewachsene Selbstbewusstsein dann in die normale Aufstellung mit weniger Abstand übernehmen können.

In einem live im Internet übertragenen Konzert ohne Publikum legte der Chor dennoch eine bemerkenswerte Qualität an den Tag. Und es klang tatsächlich wie ein Lichtstrahl in diesen dunklen Tagen. Wie haben Sie und die Sänger das erlebt?

Genauso: Dieses Gefühl, dass wir immer noch miteinander Musik machen können. Und Musizieren ist halt doch die schönste Sache der Welt …