Hintergrund

Fördern und fordern

Wer im Windsbacher Knabenchor singt, erfährt eine umfassende Persönlichkeitsbildung. Und im Sängerinternat wird ihm eine Erziehung zuteil, die auf christlichen wie humanistischen Werten beruht.


Auf einer Internetseite, die den Bachelor-Studiengang Pädagogik bewirbt, wird das Fach als „Türöffner für ein vielfältiges Berufsfeld“ gelobt. Die Arbeit der Erzieher*innen im Windsbacher Sängerinternat ist sicher nur eine Möglichkeit, in diesem „vielfältigen Berufsfeld“ zu arbeiten. Aber auch sie ist schon: vielfältig.

Toleranz, Respekt und christliche Werte

Um vorab ein paar „Pfeiler“ zu setzen: Ganz nüchtern geht es hier um die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht und die schulische Betreuung, die Beachtung des leiblichen Wohls vom Zähneputzen über die Gesundheit der Jungs bis hin zur prophylaktischen Aufklärung über Suchtgefahren. Es geht um die Unterstützung der Kinder in persönlichen Belangen, die Kontaktpflege zu den Bezugspersonen, die Freizeitgestaltung sowie die Steuerung und Nutzung gruppendynamischer Gespräche und Aktivitäten.

Grundlage der Erziehung im Windsbacher Sängerinternat ist das christliche Welt- und Menschenbild. Ziel ist, den anderen zu respektieren, ihn mit allen Vorzügen (und auch Macken) anzunehmen und mit ihm in friedlicher Koexistenz zu leben. Dass dies nicht immer einfach ist, weiß nicht nur der, der im Windsbacher Internat war – aber gerade hier kann man quasi „en passant“ lernen, dass und wie man zusammen unheimlich viel erreichen kann: durch das gemeinsame Singen und Arbeiten im Knabenchor. Beides hängt untrennbar miteinander zusammen: die Bildung und Erziehung auf christlicher Wertebasis und die Aufgabe des Knabenchores, über das rein Künstlerische hinaus auch einen Verkündigungsauftrag wahrzunehmen.

Erwerben von Hard und Soft Skills

Im pädagogischen Konzept des Internates heißt es sachlich, ein Erziehungsziel sei das „Einordnen in das soziale Kollektiv von Internat, Chor und Gesellschaft“ und (fett gedruckt!) das „Erlangen des angestrebten schulischen Abschlusses“. Dies betrifft viele einzelne Facetten: Verantwortungsbereitschaft, Eigeninitiative, Selbstverantwortung – mit jedem Schuljahr wachsen hier auch die Freiheiten und damit die Möglichkeiten, sich auszuprobieren und seinen Platz zu finden.

Voraussetzung ist die Bereitschaft zur Leistung, Pünktlichkeit, Selbstdisziplin und Ordnung. Diese Fähigkeiten werden oft auch als Sekundärtugenden bezeichnet – im Gegensatz zu den Primärtugenden wie Klugheit, Gerechtigkeit und Güte. Sie wiederum sind als soziale Kompetenz für das Zwischenmenschliche unerlässlich: das Mitgefühl, die Fähigkeit zum Dialog, Optimismus, Mut, Durchsetzungsvermögen, Selbstvertrauen und eine positive Grundeinstellung zum Leben, sogenannte „soft skills“. Alles zusammengenommen bedingt die Entfaltung der Persönlichkeit.

Enger Austausch aller Beteiligten

Dies ist der formulierte Erziehungsauftrag der Menschen, die im Windsbacher Sängerinternat mit den Jungs gemeinsam leben und arbeiten. Jede und jeder einzelne von ihnen besitzt eine individuelle, hohe fachliche Autorität und ist durch eine pädagogische Ausbildung für die Aufgabe qualifiziert. Man legt Wert auf ein demokratisches Erzieherverhalten und hohe soziale Kompetenz, die bei der Wahrnehmung der Aufsichtspflicht für entsprechende Akzeptanz und Respekt sorgt.

Aufrichtigkeit, Achtung des Anderen, Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Anerkennung, Freundlichkeit und Offenheit – und alles bei möglichst gut ausbalanciertem emotionalem Gleichgewicht: Die Aufgaben in einem Internat (und zumal in Windsbach mit den Anforderungen des Chores) stellen an das Personal keine geringen Ansprüche. Gefordert sind kommunikative Kompetenzen wie eine persönliche Gesprächsführung und aktives Zuhören, kognitive Klarheit (also die Fähigkeit, Verhaltensentscheidungen zu prüfen und erklären zu können), die Fähigkeit, Absprachen zu treffen und Konsequenzen benennen zu können. All dies geschieht im aktiven Austausch mit Erzieherkollegen, Lehrern, Eltern, Mitarbeitern aller Abteilungen und natürlich mit den Schülern selbst.

Der Arbeitsalltag gründet auf einer ganzheitlichen Erziehung: Förderung des Individuums, schulische Unterstützung, Einüben von Arbeitsverhalten und Disziplin. Was sich wie ein Stundenplan liest, wird eingeübt durch verbindliche Vorgaben: einen durchstrukturierten Tages- und Wochenablauf mit seinen Schul- und Studierzeiten, durch gemeinsame Mahlzeiten, Chorproben und Konzerte, durch individuellen Musikunterricht sowie Stimmbildung und natürlich auch: Freizeit!

Gemeinschaft erleben, Lebenspraxis erfahren

Das gemeinsame Gestalten dieser Freizeit mit Gruppenerlebnissen vor allem auch außerhalb des Chorsaals mit Spiel- und Sportaktivitäten sowie erlebnispädagogischen Angeboten im musischen, kreativen und handwerklich-praktischen Bereich fördert das Erleben von Gemeinschaft und Individualität.



Flankiert wird diese offensive Pädagogik von einer „defensiven“: Hilfe bei Belastung, Misserfolgen und Unsicherheiten, um zum Beispiel Frustrationstoleranz aufzubauen.

Alters- und entwicklungsabhängig werden die Jungs im Internat ins Jugendalter hineinbegleitet, wo sie Grenzen aufgezeigt bekommen und damit umzugehen lernen. Das beginnt bei der Unterstützung in grundlegenden, lebenspraktischen Bereichen wie dem Umgang mit Geld und Eigentum, dem Achten auf die eigene Gesundheit inklusive der persönlichen Hygiene über die Vermittlung von Normen und Werten bis hin zu religiös-spirituellen Inhalten.