Hintergrund

Grüß Gott, Herr Böhme!

Der neue Chorleiter der Windsbacher ist angekommen. Im Interview verrät er, warum er sich so auf seine neue Aufgabe freut und wie er sie gestalten will.

In Leipzig war Ludwig Böhme zuvor Gründungsmitglied des renommierten Calmus Ensemble und Leiter verschiedener Chöre. Für ihn war es damals „ein Traum, als Dirigent und Ensemblesänger gleichzeitig zu wirken: Führung zu übernehmen, aber auch Teamplayer zu sein. Das hat sich wunderbar gegenseitig bereichert.“ Als Dirigent schätze er vor allem eines: „Man hat die volle Verantwortung, ob ein Chor einen guten oder einen schlechten Ruf entwickelt. Letztendlich konnte ich mich hier immer dann perfekt verwirklichen, wenn es mir gelang, andere Menschen zu überzeugen mitzumachen.“ Diese Überzeugungskraft legte Böhme offenbar auch im Bewerbungsverfahren an den Tag: Seine Kür erfolgte mit begeisterter Einstimmigkeit.

Ich wäre ziemlich traurig gewesen, wenn‘s nicht geklappt hätte“, gibt der gebürtige Sachse dann auch gerne zu. Und er betont, dass er von der einen Woche, in der er sich im Rahmen des Bewerbungsverfahrens den Jungs sowie den Mitarbeitern in Chor, Internat und Schule präsentierte, noch heute zehrt. Tausend Fragen waren Böhme durch den Kopf gegangen, als er von der Ausschreibung jener Stelle erfuhr, die seit September sein neuer Arbeitsplatz ist: Wie klingt der Chor? Wie präsentiert er sich? Was ist sein Leitbild? Wie steht es hier um Parameter wie Qualität, Ehrgeiz, freundschaftlicher Umgang, Wohlfühlfaktor, Freude am Singen, letztendlich auch Disziplin? „Daraus ergibt sich sozusagen die DNA eines Chores. Und das hat mich sofort angesprochen: Windsbach ist sympathisch, ohne elitär zu wirken, hochwertig, ohne arrogant aufzutreten“, sagt Böhme.

Ideale Bedingungen und viel künstlerische Freiheit

Was sich für ihn sehr schnell herauskristallisiert habe, war, dass er in ein völlig neues Umfeld kommen würde, ein völlig neues musikalisches und pädagogisches System. Selbst hat Böhme früher im Thomanerchor gesungen und fühlte sich daher auch in Windsbach schnell wohl: „Schon nach der ersten Probe am Sonntag habe ich gemerkt, dass ein gewisser Draht von Anfang an vorhanden war: wie die Jungs zugehört haben, wie sie mitgemacht haben und wie aufmerksam sie waren. Ich traf auf offene, neugierige Gesichter. Und das ist unheimlich viel wert.“ Gut zu wissen, schließlich kommt der Neue ja sozusagen von der Konkurrenz. Gefragt, wie er die Windsbacher damals wahrgenommen habe, erinnert sich Böhme: „Von den anderen Knabenchören standen uns die Windsbacher vom Auftrag her natürlich am nächsten, weil sie, obwohl sehr viel jünger, auch aus dieser evangelischen Tradition herkommen. Was wir damals immer mit neidischem Blick sahen, waren die wunderbaren Internatsbedingungen hier, die wir in Leipzig nicht annähernd hatten. Die Windsbacher haben es echt besser als andere. Ein Einzelzimmer wäre für uns zum Beispiel undenkbar gewesen! Noch 1989 gab es bei den Thomanern vier Schlafsäle mit jeweils 22 Betten.“ Und noch etwas biete Windsbach: Anders als in Dresden oder Leipzig habe der Chorleiter einen großen Freiraum in der Gestaltung. Das weiß auch Böhme zu schätzen: „Windsbach ist für mich die perfekte Stelle. Ich habe nicht jede Woche abzuliefern und kann frei entscheiden: Was nehme ich ins Repertoire auf? Was singen wir wo? Ich kann den Output so gestalten, dass ich voll und ganz dahinterstehe und auch gerne die Verantwortung übernehme. Die Vielfalt der Möglichkeiten scheint mir hier besonders groß, das Korsett zwickt nicht – und das ist wunderbar!“

Die richtige Balance finden

Die Aufgabe, der sich Böhme nun in Windsbach stellt, ist dennoch nicht ohne: „Ich bin für den gesamten chorischen Bereich hauptverantwortlich – also dafür, dass der Windsbacher Knabenchor erfolgreich auftritt“, weiß der neue Chef. Dazu gehöre nicht nur Proben und Dirigieren, sondern auch, dass man auf den richtigen Bühnen auftrete und die Balance halte zwischen nicht zu viel und nicht zu wenig, zwischen regional, national und international. „Und dazu gehört, ein Menschenbild vorzuleben, das beispielhaft für alle ist, also eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Mitarbeitende und Jungs gleichermaßen wohlfühlen“, erläutert Böhme die Ansprüche, die er hier an sich selber stellt. Zudem habe er auch für den wirtschaftlichen Erfolg des Chores zu sorgen: „Er soll nicht nur schön singen, sondern ist eine Firma, die darauf schauen muss, dass die Ausgaben nicht höher sind als die Einnahmen. Die Windsbacher haben den höchsten Anspruch an sich selbst und ihre musikalische Leistung. Das muss sich auch in den Konzertorten, den Festivals und Bühnen widerspiegeln.“ Und über allem stehe mit dem Verkündigungsauftrag der Windsbacher: „Wir haben als Chor der Evangelischen Landeskirche in Bayern einen Kernauftrag: die evangelische Knabenchortradition am Leben zu erhalten und sie weiterzuentwickeln.“
Wie heißt es sinngemäß bei Bertold Brecht: Der Vorhang zu und alle Fragen offen? Keinesfalls: Nach dem gut einstündigen Gespräch ist man sich sicher, dass sich Ludwig Böhme problemlos als vierter in die Reihe der bislang so erfolgreich wirkenden Chorleiter Hans Thamm, Karl-Friedrich Beringer und Martin Lehmann wird einreihen können. Wir wünschen natürlich viel Erfolg!

Das komplette Interview kann man hier lesen.