2024 neigt sich dem Ende entgegen und damit auch das Jahr, in dem eines der renommiertesten deutschen Barock-Ensembles sein 40-jähriges Bestehen feiert: die Lautten Compagney Berlin.
Wie für die Windsbacher ist auch die Vorweihnachtszeit für die Lautten Compagney Berlin eine mit vielen Terminen. Zumal beide Ensembles ja in diesem Jahr einen Weihnachtsliederabend zusammen im Programm haben. Damit setzen sie ihre erfolgreiche Zusammenarbeit aus dem vorigen Jahr fort, aus der auch die neue Weihnachts-CD „In dulci jubilo“ resultierte.
Anders als die Windsbacher tritt die Lautten Compagney in ihrem Jubiläumsjahr selbst am 31. Dezember in ihrer Heimatstadt Berlin im Theater im Delphi auf – dann mit dem Programm „New Vivaldi“. Es ist eines von mehreren Projekten, die die historische Aufführungspraxis barocker Klänge kraftvoll ins Hier und Heute ziehen, indem sie Alte Musik lustvoll mit der unserer Tage verbinden.
Jüngstes Beispiel ist da auch die im November bei DHM erschienene CD „Dancing Queen“, auf der die Lautten Compagney mit der Saxophonistin Asya Fetayeva französische Barockmusik von Rameau mit pfiffig arrangierten Klassikern der schwedischen Popgruppe Abba kombiniert. Dem Puristen sträuben sich hier vielleicht die Haare und er mag verächtlich „Kommerz!“ zischen – doch zum einen muss er sich das ja nicht anhören und außerdem wird auch andersherum ein Schuh draus: Mit derart „gewagten“ Projekten erreicht die Lautten Compagney womöglich auch Hörer, die mit den Klängen Alter Musik bislang kaum in Berührung gekommen sind, und schafft es, sie dafür zu begeistern.
40 Jahre Lautten Compagney sind eben auch 40 Jahre Lust am Experimentieren. Und aus diesem Impetus entstand das Ensemble ja überhaupt erst: Die Gründer Wolfgang Katschner und Hans-Werner Apel studierten in den 1980ern an der Ost-Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“, doch in der DDR war die historisch informierte Aufführungspraxis noch nicht offiziell Kultur. Beide waren aber nicht taub für die Entwicklungen im Westen und da sie mit ihren klassischen Gitarren beim Studium alter Handschriften und Partituren von Byrd oder Dowland bald an klangliche Grenzen stießen, besorgten sie sich Lauten und Theorben – alles andere ist Geschichte.
Der Musikwissenschaftler (und Musiker!) Peter Uehling schreibt über das Ensemble, es suche keine abstrakten Wahrheiten über die Vergangenheit, sondern mache Musik für die Hörer von heute: „Dass die historisch informierte Aufführungspraxis immer nur Annäherungen erlaubt an das, was einmal war, ist für die einen Anlass zur Frustration und zur umso verbissener betriebenen akademischen Philologie. Der Lautten Compagney eröffnet diese Unsicherheit vor allem kreative Freiräume, und das nicht nur in konzeptioneller, sondern auch interpretatorischer Hinsicht. Es gibt einen ganz bestimmten Griff in den Klang, oft auch einen ganz eigenen Humor, der den Aufführungen und Aufnahmen dieses Ensembles einen unverwechselbaren Ton gibt. Wenn der Rhythmus so leichtfüßig wird, dass die Musik zu swingen beginnt, wirkt das Alte ganz nah.“
Und das kann man nicht nur bei „Rameau meets ABBA“ genießen, sondern auch auf der neuen Windsbacher CD mit Weihnachtsmusik. Bei „I dulci jubilo“ gibt es viel zu entdecken: Melodien aus dem 13. Jahrhundert, Motetten von Felix Mendelssohn Bartholdy, Max Reger und Johannes Brahms sowie Choralsätze von Michael Praetorius, Johann Schelle, Johann Eccard oder Johann Sebastian Bach, aber auch weihnachtliche Gesänge aus Böhmen, dem Baskenland, Kanada oder Argentinien. Das Besondere an dieser CD – und auch ein bewusstes Alleinstellungsmerkmal – ist die musikalische Verflechtung der einzelnen Tracks durch Vor- und Nachspiele, Begleitung und reine Instrumentalnummern. Zu hören sind Martin Ripper (Flöte), Monica Waisman (Violine), Annette Rheinfurth (Violine), Sabina Chukurova (Orgel), Andreas Nachtsheim (Laute) und Hannes Malkowski (Percussion) – allesamt Mitglieder der Lautten Compagney, deren Leiter Wolfgang Katschner (Laute) ebenfalls mit von der Partie ist.
Die Lautten Compagney hat bereits verschiedentlich mit Knabenchören zusammengearbeitet. Doch die Windsbacher haben hier besonders beeindruckt. Katschner schwärmt von der Klangqualität und dem „sehr tollen, besonderen Sound“ des Chores: „Die Windsbacher zeichnet aus, dass sie genau wissen, was sie singen: inhaltlich und stilistisch.“ Die Zusammenarbeit mit diesen Musikern verdanken die Hörer der langen Bekanntschaft und Zusammenarbeit zwischen Katschner und Böhme, damals noch Sänger des Calmus Ensemble.
Am Dirigenten schätzt er die Fähigkeit, den Klang zu formen, Musik und Inhalt in eine ausgewogene Balance zu bringen und gerade Texte aus- und damit eindrucksvoll zu interpretieren. „Hier begegnen sich zwei Ensembles und die Instrumentalisten mit ihren ganz eigenen Parts und Klangfarben – eine tolle Kombination und besonders schöne Zusammenarbeit. Auch die Vielfalt der aufgenommenen Lieder bildet einerseits eine thematische Breite ab, bezieht sich aber immer wieder auf die Botschaft von Weihnachten“, beschreibt Katschner den größeren inhaltlichen Horizont, der gerade durch die Windsbacher sehr authentisch abgebildet werde.
Ludwig Böhme sieht das Weihnachtsfest auf dieser CD in all seinen Facetten abgebildet: mit lauten, jubelnden Liedern genauso wie mit leisen, innigen Klängen. Traditionelle Klänge stehen dabei neben „exotischen“ aus anderen Ländern. An der Zusammenarbeit mit der lautten compagney reizt Böhme das trotz kleiner instrumentaler Besetzung äußerst farbenfrohe Musizieren: „Es ist ein sehr spannendes Wechselspiel zwischen traditionellen Sätzen und arrangierter instrumentaler Begleitung davor und dazwischen. Das alles ist abwechslungsreich und will die Hörer in die richtige, weihnachtliche Stimmung versetzen.“ Mit „In dulci jubilo“ wird dieser Wunsch auf jeden Fall erfüllt. Sicherlich ein schönes Geschenke zu Weihnachten, auf das man artig mit Track 8 der CD „Dancing Queen“ reagieren möchte: „Thank you for the music“ – und das seit 40 Jahren.