Hintergrund

Herr Lehmann blickt zurück

Nein, hier geht es nicht um einen neuen Roman von Sven Regener: Martin Lehmann lässt im Interview zehn erfolgreiche Jahre als Künstlerischer Leiter des Windsbacher Knabenchors noch einmal Revue passieren.

Am 25. Juli 2022 hat Martin Lehann mit dem Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy in der Nürnberger Meistersingerhalle sein letztes Konzert als Künstlerischer Leiter des Windsbacher Knabenchors gegeben. In einem großen Interview hält er Rückschau und erinnert sich vor allem an tolle Konzerte und zwischenmenschliche Begegnungen.

Zehn Jahre lang dirigirte Martin Lehmann den Windsbacher Knabenchor. Überraschend schnell gelang es ihm, nach dem „musikalischen Übervater“ Karl-Friedrich Beringer, den er respektvoll als „charismatische Chorleiter-Koryphäe“ bezeichnet, dem Chorklang seine eigene Handschrift zu geben: „Mein Ziel war, statt unbedingter Perfektion mehr Empathie und Menschlichkeit in den Chorklang zu investieren.“ Dabei war er nie nachgiebig: „Ich habe stets auf Konsequenz geachtet – auch wenn es mal nicht rund lief. Ich habe in den zehn Jahren vielleicht zwei Mal eine Probe abgebrochen und bin enttäuscht rausgegangen, weil wir nicht weiterkamen – ich bin aber gefühlt hunderttausend Mal länger in der Probe dringeblieben, um weiter daran zu arbeiten, was mir noch nicht gefallen hat“, erzählt Lehmann. Das sei vielleicht nicht immer ein wunderbares Erlebnis für die Sänger gewesen: „Aber sie haben gespürt: Der meint es ernst und lässt auch nicht locker.“

Gefragt danach, was ihn an der Arbeit mit einem Knabenchor reize, antwortet der Dirigent: „Das musikalische Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen: Man kann hier einen Erstkontakt zu bestimmten Werken, zu Komponisten und ihrer Musik herstellen.“ Viele erwachsene Sänger hätten beispielsweise die Matthäuspassion von Bach vielfach gesungen: „Aber hier, in einem Knabenchor, erlebt man das mit den Jungs, die solche Musik miteinander erstmalig entdecken, selbst immer wieder auf eine bestimmte Art und Weise neu.“ Natürlich sei es auch der Klang, den eben vor allem ein Knabenchor habe, dieses Strahlen: „Das kann durchaus ein Stück weit süchtig machen!“

Tolle Konzerte, Reisen, faszinierende Konzertstätten, die Zusammenarbeit mit großartigen Solisten und Orchestern: Im Interview betont Martin Lehmann, wie dankbar er für die zehn Jahre in Windsbach ist. Dazu gehören übrigens auch die Proben: „Solche Augenblicke, in denen man spürt, dass man jetzt gemeinsam in einem gewissen Flow ist, es wirklich klingt und man zusammen in der Musik aufgeht, das schafft man nur selten im Konzert. Oder man braucht zehn Auftritte dafür, bis sich so ein Moment einstellt, der in einer Probe plötzlich da ist. Das sind dann echte Glückgefühle, die bleiben und mich weitertragen werden.“

Das zuletzt angespannte Verhältnis zu seinen Dienstvorgesetzten und die leidige Coronazeit nehmen im Interview keinen großen Raum ein, wohl aber der Wunsch, dass die Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft begreifen mögen, was für eine großartige und schützenswerte Einrichtung der Windsbacher Knabenchor sei. Tiefen Dank spricht Lehmann allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Chor und Internat aus. Vor allem in Zeiten der Pandemie habe sich gezeigt, was für ein großartiges Team er gehabt habe: Er bezeichnet es als Segen. Neben den Partner in Schule und Kirche – hier nennt er explizit St. Lorenz – ist Lehmann auch seiner Familie unglaublich dankbar: „Für ihre gefühlten 130 Brüder haben sie oft zurückgesteckt und meine Frau hat mir mit viel Kraft und Einsatz den Rücken freigehalten oder gestärkt. Ohne all dies Menschen ginge mein Wirken in Windsbach überhaupt nicht.“

Dass hier mit dem neu besetzten Kuratorium nun tragfähige Strukturen geschaffen wurden, freut auch den baldigen Ex-Chef, sieht er das nach Corona durchaus als Chance zum erfolgreichen Neuanfang. Dazu gehört auch die in seinen Augen exquisite Wahl seines Nachfolgers Ludwig Böhme. Dem will er bewusst keinen Tipp geben, ist er doch überzeugt: „Ich weiß, dass er mit dem Windsbacher Knabenchor seinen Weg gehen wird. Und alle, die darauf vertrauen, dass ihm das gelingt, tun genau das Richtige.“

Das komplette Interview kann manhier lesen.