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#KulturGutKnabenchor

Digitaler Aktionstag für mehr Nachwuchs am 14. November 2020 um 11:55 Uhr

Erstmals in ihrer Geschichte schließen sich 46 Knabenchöre aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in einer grenzübergreifenden Kooperation zusammen, um gemeinsam die Freude an der Chormusik zu teilen und damit Nachwuchs anzusprechen. Am 14. November 2020 um 11:55 Uhr traten die Chöre mit einem digitalen Flashmob unter dem Hashtag #KulturGutKnabenchor und der Botschaft „Viva la musica!“ auf der virtuellen Bühne bzw. in den sozialen Netzwerken auf. Initiiert wurde die Aktion von den Augsburger Domsingknaben, den Regensburger Domspatzen, dem Tölzer Knabenchor und dem Windsbacher Knabenchor.

Viva la musica ist das medial verbindende musikalische Werk. In Ihrem Videobeitrag für mehr Nachwuchs singen die Windsbacher die vierstimmige Version Viva la musica, op. 43 von Iván Eröd (*1936 – 2019) für Sopran, Alt, Tenor und Bass.

Prominenter Schirmherr

„Zu unserer großen Freude konnten wir den bekannten Moderator, Schauspieler und Synchronsprecher Malte Arkona als Schirmherrn für dieses Projekt gewinnen“, sagt Claudia Brinker, Konzertmanagerin des Windsbacher Knabenchores. Arkona ist einem breiten Publikum und ganz besonders den Kindern als TV-Moderator der Kultsendung „Tigerenten Club“ (ARD/KiKa) und des größten deutschen TV-Schülerquizes „Die beste Klasse Deutschlands“ (ARD/KiKa) bekannt. Wie auch die Knabenchöre hat es sich Arkona zur Aufgabe gemacht, Kinder und Jugendliche für klassische Musik zu begeistern. Insofern ist er prädestiniert dafür, die Nachwuchsgewinnung der Knabenchöre zu unterstützen und musikalische Jungen zum Gesang zu animieren.

„Es ist toll, dass unsere gemeinsame Aktion trotz der aktuellen Einschränkungen so an Fahrt aufgenommen hat,“ ergänzt Brinker. Als sie während des ersten Lockdowns im Frühjahr zum Hörer gegriffen hätte, um ein Stimmungsbild der Kollegen einzufangen, war diese Entwicklung in keiner Weise absehbar. Die vielen positiven Rückmeldungen der Knabenchöre ermutige das Initiatoren-Team dazu, auch nach diesem Aktionstag weiterzumachen.

Kulturgut Knabenchor

Knabenchöre gelten als besonderes Kulturgut, können auf eine zum Teil jahrhundertealte Tradition zurückblicken und sind heute Teil eines internationalen musikalischen Netzwerks. Die aktuelle Corona-Krise stellt für Knabenchöre eine große Herausforderung dar. Chorproben müssen teils entfallen, Solounterricht/Stimmbildung kann nur im Fernunterricht angeboten werden. Wenn überhaupt, dann wird mit regional unterschiedlichen Hygieneauflagen geprobt und unterrichtet: Mindestens zwei Meter Abstand zum nächsten Sänger sind gefordert, weshalb eine Chorprobe nur in Kleingruppen stattfindet. Bereits fixierte Konzerte entfallen oder werden in spätere Saisons verschoben. Wie alle Künstler braucht auch ein Knabenchor sein Publikum, nicht zuletzt, um Nachwuchs fürs Singen zu begeistern. Nachwuchswerbung kann nicht oder nur sehr begrenzt betrieben werden, ein „Tag der offenen Tür“ oder Schnupperunterricht darf nur in sehr reduziertem Rahmen stattfinden. Die Talentsuche in öffentlichen Schulen entfällt völlig. Eltern werden in der Betreuung ihrer Söhne noch stärker belastet und scheinen zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten für ihre Kinder zu meiden.

Für die Nachwuchssuche ist es fünf vor zwölf

Wenn Knabenchöre längerfristig keine Möglichkeit haben, Nachwuchs in den unteren Chorgruppen zu finden und Kinder zu begeistern, werden große Messen und Oratorien in näherer Zukunft nicht mehr von Knabenchören interpretiert werden können. Auch berühmte Knabenpartien wie beispielsweise die drei Knaben in Mozarts Zauberflöte können dann an großen Häusern wie der Bayerischen Staatsoper, der Dresdner Semperoper oder der Staatsoper Unter den Linden nicht mehr regelmäßig mit Knabenstimmen besetzt sein. Jüngere Knaben lernen in der Regel von den älteren Knaben und werden vorsichtig herangeführt. Da der Stimmbruch aber immer früher einsetzt und jüngere Knaben nicht in gewohnter Stärke nachrücken, fehlen erfahrene Sänger, das wichtige Lernen voneinander kommt zu kurz. Diese entstehende Lücke bedroht die kontinuierliche Ausbildungsstrategie der Chöre. In einigen Jahren werden weniger gut ausgebildete Knaben in den Domchören oder Konzertchören singen, die hohe Qualität der Chöre wird leiden. Die Konsequenz: Mit den jungen Kindern, die in den ersten Jahren nach der Krise den Weg zu den Chören finden, muss eine komplett neue Aufbauarbeit in der mehrjährigen Grundlagenausbildung geleistet werden.

Singen bildet Persönlichkeit

Bis ein Knabe abendfüllende Konzerte singen kann, durchläuft er eine anspruchsvolle mehrjährige Ausbildung bis zur Aufnahme in die Dom- oder Konzertchöre. Abhängig von der jeweiligen Bildungseinrichtung beginnen die Kinder im (Vor-)Schulalter oder zu Beginn der weiterführenden Schule mit ihrer sängerischen Ausbildung. Erst nah am Stimmbruch sind die Knaben in der Lage, die ganz großen Werke bzw. Partien zu singen. Das Singen in einem Knabenchor fördert die persönliche Begabung der Jungen, schärft die Sozialkompetenz und legt den Grundstein für eine mögliche spätere Musikerkarriere. Die Ausbildung der Knaben mündet häufig in die Teilnahme an Tourneen in Europa und auf der ganzen Welt. Viele Knabenchöre sind auch gleichzeitig Kathedralchöre und haben die wunderbare Aufgabe, dort die Kirchenmusik zu machen.

Eigene Aktionswebsite

Alle teilnehmenden Knabenchöre, weiterführende Informationen zu diesem einzigartigen Zusammenschluss einer gesamten musikalischen Szene, zur aktuellen Aktion bzw. zu möglichen zukünftigen klangkörperübergreifenden Aktivitäten der Knabenchöre finden Sie unter www.kulturgutknabenchor.de.