Hintergrund

Michael Praetorius zum 450. Geburtstag

Dem Komponisten, der den bekannten vierstimmigen Tonsatz auf „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ geschrieben hat, wird 2021 doppelt gedacht: Am 15. Februar 1571 soll er geboren worden sein; und er verstarb auf den Tag genau vor 400 Jahren .

Fast jeder kennt den Komponisten, Theologen und Musiktheoretiker Michael Praetorius. Und zwar über das Weihnachtslied „Es ist ein Ros‘ entsprungen“. 1599 taucht es erstmals in einem katholischen Gesangbuch des Bistums Speyer auf. Der Komponist der Choralmelodie ist unbekannt, der Textdichter ebenso. Den vertrauten vierstimmigen Tonsatz schrieb 1609 jener Praetorius, der am 15. Februar 1571 Jahren in Creuzburg bei Eisenach als Michael Schultheiß geboren worden sein soll (die Quellenlage ist unterschiedlich) – und am selben Tag des Jahres 1621 in Wolfenbüttel starb, weswegen die Musikwelt 2021 nicht nur seines 450. Geburtstags, sondern auch seines 400. Todestags gedenkt.

Praetorius war bereits mit 16 Jahren Organist in Frankfurt an der Oder, wo er 14-jährig das Studium der Theologie und Philosophie aufgenommen hatte. 1595 trat er in den Dienst des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, der einer der wichtigsten kunstliebenden protestantischen Fürsten seiner Zeit war. Nach Stationen in Braunschweig und Lüneburg wurde er in Wolfenbüttel Hofkapellmeister und wirkte von 1613 bis 1616 auch am Dresdner Hof, wo er Heinrich Schütz traf. In seinem norddeutschen Wirkungskreis aber kam Musik aus allen Teilen Europas zusammen: aus England die Klangwelt der Consort-Musik für Streicher oder Flöten, aus Italien die Mehrchörigkeit. Derart reich inspiriert entwickelte Praetorius seinen eigenen Stil, wobei er auch mit dem Raum experimentierte, indem er Ensemblegruppen getrennt voneinander positionierte, was bis heute zu faszinierenden Klangerlebnissen führt. Durch den Import der italienischen Concerto-Praxis hatte er außerdem maßgeblich Anteil an der Grundlage des barocken Generalbass-Stils, der die europäische Musik für rund 150 Jahre prägen sollte.

Mehr als 1700 Werke

Praetorius war ein – aus heutiger Sich durchaus nachhaltiger – Vermittler des lutherischen Liedguts. So bildete die Choralbearbeitung einen Mittelpunkt seines kompositorischen Schaffens. Er widmete sich sämtlichen lateinischen und deutschen liturgischen Gesängen des lutherischen Gottesdienstes, die maßgebend für die evangelische Kirchenmusik des 17. Jahrhunderts wurde. Die zwischen 1605 und 1610 in neun Teilen publizierte Sammlung „Musae Sioniae“ umfasst Lieder, Motetten und Konzerte in den verschiedensten Besetzungen. Neben diversen Orgelwerken existiert auch eine Sammlung von 312 Tänzen – insgesamt schrieb Praetorius mehr als 1700 Werke. Seine dreiteilige Schrift „Syntagma musicum“ ist ein Kompendium für Instrumentenkunde, Orgelbau, Kompositions- und Musikpraxis sowie ein Lexikon musikalischer Fachbegriffe in Deutschland um 1600 und gilt noch heute als „Bibel der Instrumentenmacher“.

Viva la musica

Michael Praetorius‘ berühmter Kanon war auch das Lied, das über 40 Knabenchöre aus dem deutschsprachigen Raum im November bei der gemeinsamen Aktion #KulturGutKnabenchor anstimmten: „Viva, viva la Musica.“ Dirigenten wie Martin Lehmann fasziniert neben der Vielfalt der Klänge, die das Instrumentarium jener Zeit erlaubt, vor allem die Flexibilität, die Praetorius anbietet, um seine Werke in unterschiedlichster Stimmenzahl, Besetzung und Formationen den jeweils lokalen Möglichkeiten anzupassen. Auch wenn einem die den Werken oft zugrunde liegenden protestantischen Melodien nicht mehr so vertraut sind, wie es für die Zeit um 1600 bei jedem Hörer unbedingt voraussetzbar war, sind die klanglichen Reize des historischen Instrumentariums auch für den heutigen Hörer unmittelbar erlebbar. Die fantasievolle Art und Weise, auf die diese Melodien durch Praetorius „verarbeitet“ werden, offenbaren eine Meisterschaft, die vor allem auch doe staunen lässt, die seine Musik als Sänger oder Instrumentalisten aufführen.

Zurück zum Kirchenlied „Es ist ein Ros‘ entsprungen“, dem sich Praetorius nicht nur musikalisch widmete: Als Protestant war ihm die Marienverehrung der katholischen Kirche fremd, weswegen er auch wenig mit der Exegese anfangen konnte, nach dem der Prophet Jesaja (Jesse) die besungene Wurzel war, die Jungfrau Maria das „Röslein“ und das Jesuskind das knospende „Blümelein“. Praetorius dichtete die zweite Strophe um: Hier hat Maria das Röslein gebracht – und ist es nicht, wie im Original, selbst.

Dieses Lied inspirierte auch andere Komponisten. Einer davon ist der schwedische Komponist Jan Sandström: In seinem 1990 geschriebenem Stück „Det är en ros utsprungen“ lässt er den bekannten Praetorius-Satz Zeile für Zeile verlangsamt in einen achtsimmigen unbegleiteten Summ-Chor übergehen. Chor I singt Praetorius, Chor II summt durchgehend. Dabei ist eine unglaublich berührende Version des bekannten Weihnachtsliedes herausgekommen. Die Windsbacher haben diese Version in einem Online-Adventsgruß gesungen.