Hintergrund

Opernvorhang auf!

Am 8. Juni hatte am Nürnberger Staatstheater das Stück „Pelléas et Mélisande“ von Claude Debussy Premiere. Mit dabei sind zwei Windsbacher Sänger.

Im Bühnenstück „Pelléas et Mélisande“ des französischen Dichters Maurice Maeterlinck (1862-1949) findet Prinz Golaud im finsteren Wald die wunderschöne und geheimnisvolle Mélisande. Sie folgt ihm auf sein Schloss, es kommt zur Hochzeit. Aber Mélisande verliebt sich in Golauds Bruder Pelléas – und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Claude Debussy ließ sich von der märchenhaften Atmosphäre und geheimnisvoll-beschwörenden Sprache des Stücks zu einer Oper inspirieren, die jetzt in Nürnberg Premiere feiert. Mit dabei sind die beiden Windsbacher Sänger Lars Burchardt und Oscar Nonell. Das nun szenisch dargestellte Werk war 2022 bereits konzertant aufgeführt worden – auch damals mit Windsbacher Beteiligung.


Der französische Komponist Claude Debussy (1862-1918).

Maeterlincks Sprache war für Debussy bei der Komposition Dreh- und Angelpunkt: „Sie ist von poetischer Mitteilungskraft; ihr Empfindungsgehalt vermag in Musik und Orchestrierung weiterzuschwingen“, schwärmte er. In „Pelléas et Mélisande“ werden die inneren und äußeren Dramen der Figuren mit ausdifferenzierter und sensibler Klangsprache eingefangen. Als Pendant zum surrealen Ambiente des Stücks versetzt die Musik das Publikum in einen Zustand zeitloser Entrücktheit. „Was andere Komponisten zu einem eruptiven Eifersuchtsdrama inspiriert hätte, wird in Debussys Komposition zu einer Tragödie der Innerlichkeit, einem Fluss der Liebe und des Todes, zu einem Geschehen, das Menschen außer sich bringt und sie Dinge tun lässt, die sie sich niemals hätten vorstellen können“, informiert das Staatstheater Nürnberg.

Anspruchsvolle Partie

Zwei große Szenen haben Lars und Oscar: Sie verkörpern die Rolle des Yniold, Sohn von Golaud. Häufig wird diese anspruchsvolle Partie auch von Sopranistinnen gesungen. In Jens-Daniel Herzogs Regie nimmt die Figur des Yinold jedoch eine so zentrale Rolle ein, dass er sie unbedingt mit einem Knabensopran besetzen wollte. Neben den beiden musikalischen Auftritten hat der Regisseur die Figur auch in weiteren Szenen in seine Inszenierung eingebaut. Auftritte hat in den sieben Aufführungen jeweils einer von beiden; zum Einsatz kommen aber abwechselnd beide, wobei der andere dann sozusagen auf der Reservebank sitzt. Um hierfür bestens vorbereitet zu sein, wurde in Windsbach natürlich schon lange vor der Premiere geübt, wobei es nicht nur ums Singen ging: Die szenische Oper verlangt von den Jungs auch schauspielerisches Talent, es wird (natürlich) auswendig gesungen – und auf Französisch!


Der Windsbacher Lars Burchardt in der Rolle des Yniold (zusammen mit Sangmin Lee als Golaud).

Für die Einstudierung der Partien waren die beiden Windsbacher Gesangspädagoginnen Karoline Wlochowitz und Silke Schrape sowie Chorassistent Andreas Fulda verantwortlich. Zuvor hatten sich alle Stimmbilderinnen und Stimmbildner zusammengesetzt und mögliche Kandidaten aus den Reihen der Knabenstimmen vorgeschlagen. Dabei galt es nicht nur Erfahrung und Stimmkraft zu berücksichtigen, sondern auch die Mutation im Auge zu behalten: Da das Opernprojekt langfristig anberaumt war, durften die Solisten natürlich währenddessen nicht in den Stimmbruch kommen! Die Wahl fiel schließlich auf Lars und Oscar. Und auf die wartete nun die Vorbereitung auf eine Oper, die es in sich hat: „Zusätzlich zur Stimmbildung haben wir eine Stunde pro Woche an den Partien gearbeitet“, erzählt Fulda: „Töne üben, Text sprechen, die Musik auch erstmal anhören und kennenlernen.“

Von der konzertanten Produktion 2022 gab es noch Übermaterial, womit sich die Jungs während der Ferien beschäftigten. Wichtig war Fulda, dass alles im Team geschieht, um Konkurrenzdenken erst gar nicht aufkommen zu lassen. Dabei wurden Lars und Oscar mit Musik konfrontiert, die neu für sie war: Statt Motetten von Bach oder Mendelssohn waren nun Klänge des Impressionismus und Symbolismus zu gestalten: „Da weiß man oft gar nicht, wo man den Ton hernehmen soll“, bewundert Fulda die musikalischen Talente der beiden Jungs.

Von der Chorarbeit wurden Lars und Oscar wo nötig freigestellt – von der für die Schule nicht. Doch auch diese Mehrbelastung meisterten beide problemlos. Schließlich wurde auch während der Ferien eine Woche mit Andreas Fulda einstudiert, wofür es auf die Probebühne und ans Opernhaus in Nürnberg ging. Jüngst kamen Proben mit den älteren Kollegen dazu, dann Kostümanprobe und Fototermin.


Von links: Seokjun Kim, Sangmin Lee, Taras Konoshchenko, Helena Köhne, Lars Burchardt.

Vor der Premiere ist man in Windsbach stolz auf Lars und Oscar: „Die sind immens gewachsen an dieser großen Aufgabe. Es war ja eine komplett neue Situation für beide. Aber sie haben neue Fähigkeiten entdeckt und damit erfolgreich gearbeitet. Hierfür brauchte es Zuverlässigkeit, Offenheit und Neugier. Und das sind ja durchaus Eigenschaften, die durch die Arbeit im Knabenchor ohnehin trainiert werden. Damit werden sich die beiden nach jeder Aufführung ihren Applaus echt verdient haben“, ist sich Andreas Fulda sicher.

„Pelléas et Mélisande“ wird in Nürnberg von Operndirektor Jens-Daniel Herzog inszeniert, die Staatsphilharmonie Nürnberg spielt unter der Leitung von Björn Hustege. Neben Lars Burchardt und Oscar Nonell spielen Taras Konoshchenko, Helena Köhne, Samuel Hasselhorn, Sangmin Lee, Chloë Morgan, Seokjun Kim, Gor Harutyunyan sowie Mitgliederinnen und Mitglieder der Statisterie des Staatstheaters. Nach der Premiere am 8. Juni ist die Oper am 16., 18., 20. und 24. Juni sowie am 3. und 7. Juli zu sehen. Tickets gibt es hier.

Die verwendeten Szenenfotos stammen von Bettina Stoess.