Hintergrund

Fast schon Musiktheater

Das chorsinfonische Werk, das die Windsbacher für ihre Jubiläumssaison ausgesucht haben, ist das Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847).

Zehn Jahre lang hatte die Geschichte des Propheten Elias Mendelssohn beschäftigt: Die im ersten Buch der Könige geschilderte Stelle – „Und siehe, der Herr ging vorüber und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, vor dem Herrn her.“ – begeisterte den jungen Komponisten, der diese Szene „herrlich für ein Oratorium“ fand. Schließlich beauftragte die Stadt Birmingham den Komponisten, für ein Chorfest im Jahr 1846 ein großes Werk zu schreiben: den „Elias“, sein Opus 70. Das Stück ist weitaus dramatischer als sein Oratorium „Paulus“: „Die Leute [müssen] lebendig redend und handelnd eingeführt werden, nicht aber, um Gottes Willen, ein Tongemälde daraus entstehen, sondern eine recht anschauliche Welt, wie sie im Alten Testament in jedem Kapitel steht“, setzte sich Mendelssohn selbst das Ziel.



Das zweiteilige Werk beginnt ungewöhnlich: Noch vor der Ouvertüre prophezeit Elias den vom Jahwe-Glauben abgefallenen Israeliten eine große Dürre und Hungersnot. Die Ouvertüre selbst und die ersten Nummern beschreiben die Folgen dieses Fluchs, die Klage, aber auch die Zusage Jahwes zu helfen, falls sich das Volk wieder zu ihm bekennt: „So Ihr mich von ganzem Herzen suchet, so will ich mich finden lassen.“

Spannende Geschichte

Wie aber kam es zu diesem Bruch des Volkes Israel mit Jahwe? Neben dem Glauben an ihn verbreitete sich unter König Ahab die kanaanäische Baals-Religion seiner Frau, der Königin Isebel. Die Kraft Baals, eines Wetter- und Regengottes, wird durch die Prophezeiung der Dürre durch Elias natürlich in Frage gestellt und so sieht sich Elias der Verfolgung ausgesetzt, muss fliehen. Doch er steht unter dem Schutz Gottes, was Mendelssohn mit dem wundervollen Doppelquartett der Engel („Denn er hat seinen Engeln befohlen über Dir, dass sie Dich behüten“) ausgedrückt hat. Jahwe lässt Elias auf eine Witwe treffen, deren Sohn nach schwerer Krankheit gestorben ist und der Prophet vollbringt das Wunder, ihn von den Toten aufzuwecken. Das Vertrauen ist vorerst wiederhergestellt.

Elias muss jedoch auch gegen den Baals-Kult kämpfen. In dramatischen Szenen hat Mendelssohn einen Wettstreit zwischen ihm und den Anhängern Baals vertont: Derjenige soll siegen, dessen Gott das Brandopfer entzündet und sich so als der wahre erweist. In wuchtigen Chören bemühen sich die heidnischen Baals-Priester vergeblich, doch das Feuer fällt erst vom Himmel, als Elias Jahwe anruft. Der Abschnitt gipfelt in zwei Arien, deren Gegensätzlichkeit ins Auge sticht: In der Arie des Elias wird ein gewaltiger und strafender Gott geschildert, das folgende Alt-Arioso erzählt hingegen von einem zur Versöhnung und Vergebung bereiten Jahwe – eine der innigsten und kontemplativsten Partien des ganzen Oratoriums.

„Stark, eifrig, auch wohl bös und zornig und finster“

Noch aber hält die Dürre an und das Volk Israel erfleht die Hilfe des Höchsten, die jedoch auf sich warten lässt: Mehrmals muss ein Knabe zum Meer laufen und nach den regenschweren Wolken Ausschau halten. Auch Elias bittet Gott, sich seinem Volk wieder zuzuwenden. Der Fluch wird endlich aufgehoben und der ersehnte Regen setzt ein, was Mendelssohn durch im Orchester tonmalerisch wogende Wassermassen darstellt. So endet der erste Teil des Oratoriums.

„Stark, eifrig, auch wohl bös und zornig und finster“, so hatte sich der Komponist seinen Elias vorgestellt. Der gerät im zweiten Teil erneut in Konflikt mit Ahab und Isebel, die ihm vorwerfen, das Volk Israel zu verwirren. Mendelssohn schilderte diese Szene, in deren Verlauf die Masse nach dem Leben des Propheten trachtet, nach dem Vorbild der Bachschen Turba-Chöre. Elias flieht schließlich in die Wüste und resigniert. War der erste Teil handlungsstark gestaltet, ist der zweite eher introvertiert, wenn der Prophet auf sein scheinbar vergebliches Tun zurückblickt. Das Terzett „Hebe Deine Augen aus zu den Bergen“ ist wie der Chor „Denn er hat seinen Engeln“ eines der berühmtesten und gerade ob seiner Schlichtheit berührenden Stücke des Werkes.

Wieder leitet ein wundervoller Chor die Wende ein: „Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig.“ Engel geleiten Elias zum Berg Horeb, wo Gott ihm befiehlt, er solle weiter gegen die Götzenverehrung kämpfen. Kulminationspunkt ist die Begegnung mit Jahwe im Chor „Der Herr ging vorüber“, wo Sturm, Erdbeben und Feuer die Gotteserscheinung dramatisch manifestieren: Jahwe erscheint schließlich in einem „Säuseln“ und die Engel intonieren feierlich: „Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth.“ Im Folgenden erzählt der Chor von Elias‘ weiterem Wirken: „Sein Wort brannte wie eine Fackel. Er hat stolze Könige gestürzt.“ Schließlich fährt der Prophet in einem Wagen mit feurigen Rössern gen Himmel. Die weiteren Stücke verweisen auf das Erscheinen des Messias und eine schwungvolle Fuge in Händelscher Manier beschließt das Werk mit dem Text aus Psalm 8 – „Herr unser Herrscher, wie herrlich ist Dein Name.“

Großer Erfolg

„Die letzte Note des ‚Elias‛ ging im anhaltenden, einstimmigen und ohrenbetäubenden Beifallssturm unter. Es war, als hätte seit langem zurückgehaltene Begeisterung sich endlich Bahn gebrochen und nun den Raum mit Jubel erfüllt“, schrieb der Rezensent der London Times über die englischsprachige Uraufführung des Oratoriums am 26. August 1846: „Nie zuvor hatte es einen so vollständigen Erfolg gegeben – nie eine umfassendere und unmittelbarere Anerkennung eines Kunstwerks.“ Auch die Zuhörer späterer Aufführungen reagierten auf das Oratorium enthusiastisch. Während das Werk in England bis heute viel stärker Bestandteil des Repertoires als auf dem Festland ist, zeigte sich die Musikkritik vor allem in Deutschland eher skeptisch, bemängelte die schwer verständliche Handlung und die dramatischen Brüche. Und noch heute steckt Mendelssohn „Elias“ voller musikalischer Schätze, die immer wieder neu gehoben werden können.

Auch 2006 hatte der Windsbacher Knabenchor den „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy anlässlich seines 60-jährigen Bestehens aufgeführt und auch aufgenommen. Der Livemitschnitt ist bei Sony erschienen.