Hintergrund

„Ich war total gerührt“

Die Windsbacher unterstützten den Kabarettisten Maxi Schafroth beim diesjährigen Nockherberg mit einem musikalischen Einspieler. Im Interview erzählt der Künstler über die Zusammenarbeit und zeigt sich nicht nur vom Gesang begeistert.

Herr Schafroth, bei Ihrem Nockherberg-Auftritt haben Sie mit dem „Chor der Jungen Union Miesbach“ gesungen, wobei auffiel, dass Sie diese Kunst sehr gut beherrschen und eine echt schöne Stimme haben. Wie kommt’s?

Ich war tatsächlich ein braver Chorsänger. Angefangen hatte ich mit 14, 15 Jahren in einem Chor in Ottobeuren. Wir hatten einen sehr passionierten Dirigenten, der das recht professionell aufzog. Es gab da dann auch noch ein kleineres Ensemble für die, die mehr Zeit investieren wollten und vielleicht auch stimmlich etwas bessere Möglichkeiten hatten. Da haben wir sehr intensiv gearbeitet und viel gesungen, woher sicherlich auch meine Affinität zur klassischen Musik und zum Chorgesang herrührt. Und als ich nach meiner Bankausbildung die Schauspielschule besuchte, bekam ich ja auch Gesangsunterricht.

Da wurde also der Grundstein gelegt?

Bestimmt. Und ich habe gelernt, dass das regelmäßige Training auch beim Singen unheimlich wichtig ist. Das ist ja wie beim Muskeltraining: Beim Singen übt man mit Atemtraining die Stimmmuskulatur und mit dem Singen den „Selbstbewusstseinsmuskel“. Im Chor bekam ich dann eine gewisse Routine in den Gesangsübungen. Und die mache ich auch heute noch vor meinen rund hundert Auftritten im Jahr. Dadurch wird die Stimme viel souveräner, man kann mit ihr viel mehr machen und die Leute auf verschiedenen Ebenen erreichen.

Haben Sie auch ein Instrument gelernt?

Ich habe acht Jahre Klavier gespielt. Wobei ich gleich sagen muss, dass ich nicht gut im Notenlesen und Rhythmus bin. Da geschieht bei mir unheimlich viel aus dem Bauch heraus. Für die musikalischen Beiträge beim Nochherberg habe ich die Stücke für mich vorher zuhause eingesungen, also jede Stimme einzeln. Das habe ich so oft gemacht, bis es die gewünschte Stimmung getroffen hat. Dann habe ich die mp3-Files an meine Sänger geschickt, die das dann für sich übten. Beim gemeinsamen Proben mussten wir das dann mit Leben füllen, was eigentlich immer ein sehr lustiger Prozess ist.

Wie kam es zum Beitrag der Windsbacher?

Als der BR grünes Licht für die Sendung gegeben hat, hatte ich zweieinhalb Monate Zeit für die Vorbereitung. Und da fragte ich mich natürlich, was der Zuschauer da sehen möchte? Bestimmt keinen, der 60 Minuten am Stück redet, weil ja auch die Reaktion des Publikums fehlt. Also war klar, dass es ein paar originelle Zuspieler geben muss, die meine Rede auflockern. Zufällig hatte ich beim BR eine Sendung über die Online-Proben-Arbeit der Windsbacher gesehen und mir gedacht: Genau so könnten die doch auch was machen? Den Chorleiter fand ich auf Anhieb sympathisch, mailte ihn an und fragte, ob er sich das vorstellen könnte. Das war damals ja alles noch quasi streng geheim. Martin Lehmann war sofort bereit, mit den Jungs einen von mir auf Markus Söder gedichteten Text auf ein bekanntes Weihnachtslied zu singen.

Und wie hat’s Ihnen gefallen?

Als ich dann zwei Wochen später dieses wunderbar gesungene mp3 in meinem Postfach hatte, war ich echt wahnsinnig gerührt! Ich schreibe was und 15, 20 Jungs befassen sich damit und es kommt so etwas Tolles dabei heraus. Das hat meinen Blick auch noch mal verändert: Normalerweise formuliere ich etwas und sage das dann ja selbst. Und nun bekommt man das in einer solchen Perfektion geliefert, wobei der Chor beim Endprodukt noch mal eine Schippe drauflegte – besser, als ich es mir vorstellen konnte. (lacht) Ich hatte echt ein bisschen feuchte Augen!

Die Windsbacher sangen ja fast schon symbolträchtig Ihre Spottverse auf einen vierstimmigen Choralsatz von „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ – in Zeiten von Corona bedingten Theaterschließungen und Konzertabsagen ist der Wunsch groß, endlich wieder live vor Menschen singen zu dürfen. Wie sehr fehlt Ihnen als Kabarettist die Begegnung mit dem Publikum?

Natürlich braucht es die Unmittelbarkeit, die direkte Resonanz. Durch meine Arbeit im Film bin ich es ja durchaus auch gewohnt, erst mal ohne Publikum zu spielen. Und beim diesjährigen Nockherberg ging es ja gerade darum, vor fehlenden Zuhörern zu spielen. Die waren ja alle nur online verbunden, was übrigens ein Riesenaufwand war. Da hat sich der BR ganz schön ins Zeug gelegt. Aber eigentlich braucht man da gar nicht groß drüber nachdenken: Es fehlt etwas, wenn man nicht in die Gesichter der Leute gucken kann, wenn man nicht sieht, dass es denen gefällt, was man da oben auf der Bühne macht. Das ist einfach durch nichts zu ersetzen. Man braucht diesen Rhythmus, weswegen das ja durchaus eine musikalische Frage ist: Ein Auftritt ohne Publikum ist, wie wenn man ein Duett singt und die zweite Stimme fehlt. Das ganze Timing, was durch das Gegenüber zustande kommt, muss man sich in einem Livestream quasi mathematisch herleiten. Aber das ersetzt nicht die Begegnung. Die fehlt einem halt.

Corona hat uns allen, vor allem aber auch der Kultur sehr geschadet. Gibt es trotzdem etwas, was man aus dieser Zeit vielleicht als Denkanstoß mitnehmen kann? Kann uns diese Pandemie auch etwas lehren?

Corona hat mich auch in einer ganz bestimmten Weise herausgefordert, denn ich wollte den Leuten gerne was bieten, was ihnen ein wenig Normalität schenken und dadurch vielleicht auch Zuversicht spenden kann. Im Sommer hatte ich auf dem Hof unserer Eltern eine Autovorstellung gegeben: in 18 Metern Höhe und vor 200 Autos auf der Wiese. Die Tickets dafür wurden uns aus den Händen gerissen und die Zuschauer waren total begeistert, weil man halt was machte, was unternahm. Und es hat durchaus auch Spaß gemacht, ein wenig ein Zugpferd zu sein und zu zeigen: Kultur kann und sollte auch unter schwersten Bedingungen stattfinden und stattfinden dürfen. Du kannst die Leute nicht ins Flugzeug setzen, aber ihnen verbieten, draußen mit drei Metern Abstand ein Konzert anzuhören. Das ist schon absurd. Es geht aber ganz allgemein auch um’s aufeinander Achten. Man kann jetzt bestimmten Problemen, die es vorher ja auch schon gab, eigentlich nicht mehr ausweichen: Sei es eine Verteilungsfrage oder die Frage der Definition von Systemrelevanz. Und damit ist man ja auch ganz schnell bei der Kultur, bei der Wichtigkeit von Kunst und dass sie stattfindet. Vielleicht und hoffentlich wissen wir danach ein bisschen mehr, was für uns innerlich wichtig ist, gerade wenn wir so lange drauf verzichten müssen. Es geht eben nicht nur um’s „Schaffe, schaffe, Häusle baue“: Den Menschen macht mehr aus!